Der Mehrkatzenhaushalt
ein Erfahrungsbericht aus dem Hause Alpenwichtel
September 2013

Katzen sollen Einzelgänger sein - so hört man es immer wieder.
Ich kann dies so überhaupt nicht bestätigen, im Gegenteil: unsere Norwegischen Waldkatzen sind äußerst soziale, gesellige und hochintelligente Tiere , die in einem  größeren Familienverband durchaus  harmonisch und friedlich zusammen leben können. Ob das jetzt auch für alle anderen Katzenrassen gilt oder nicht, kann ich nicht beurteilen. Ich berichte hier lediglich über unsere hauseigenen Erfahrungen.

Minou (8,5 Jahre) und Sohnemann Renoir (6,5 Jahre)

Katzenpsychologie ist schon seit einigen Jahren mein Steckenpferd und in dieser Zeit habe ich eine beachtliche Auswahl an Fachliteratur zu diesem Thema gelesen. Ich finde es sehr interessant und entspannend, unsere vierpfotigen Naturburschen bei ihren kleinen und großen täglichen Abenteuern zu beobachten und ihr Verhalten zu analysieren.  Wie das Zusammenleben in unserem Mehrkatzenhaushalt mit derzeit 11 Norwegischen Waldkatzen im Alter von 9 Monaten bis 16 Jahren funktioniert, möchte ich Ihnen hier ein wenig näher bringen. Die Anzahl unserer Katzen ist als momentane Größe zu verstehen, die durch den Umzug von Jungtieren, den Tod eines Tieres oder den Kauf eines Zuchttieres variiert und nur für eine relativ kurze Zeitspanne von einigen Monaten so hoch ist. Ebenso ist die Aufteilung in  Gruppen und auch die räumliche Aufteilung variabel und der derzeitigen Situation angepasst.

Unsere Waldkatzentruppe lebt bei uns in drei Gruppen:
Unsere Oldies Fenris (16 Jahre alt) und Arielle (15,5 Jahre alt), beide kastriert, leben zusammen und bevorzugen die Ruhe außerhalb des Trubels, den Jungtiere naturgemäss so veranstalten.
Gruppe 2 besteht momentan aus unseren drei Jungtieren und  fünf Mädels ( 9 Monate - 13 Jahre alt), welche jedoch alle unkastriert sind, mit Ausnahme der beiden Jungkater, die in Kürze zu ihrer neuen Familie umziehen werden.
Die dritte Gruppe bilden unsere unkastrierten Kater Subaru (12,5 Jahre alt) und Renoir (6,5 Jahre alt), der bei unserem Sohn wohnt. Elias (6 Jahre alt) lebt mit zwei Kastraten bei unseren Freunden. Die Gründe dafür werde ich in einem späteren Artikel über unsere Erfahrungen bezüglich Katerhaltung näher erläutern.

Jede einzelne Gruppe darf täglich stundenweise unseren relativ ausbruchsicheren Garten und einen großen Teil der Wohnung nutzen und hat die Möglichkeit, die anderen Gruppen zu sehen. Schmusestunden, Spielstunden und Streicheleinheiten mit dem zweibeinigen Personal - also uns - sind ebenfalls täglich im Tagesablauf integriert. Ebenso haben alle Gruppen ihren eigenen Bereich, der für die anderen unzugänglich ist. Das hört sich kompliziert an, ist es aber nicht. Eine durchdachte Organisation und gutes Zeitmangement führen zu einem geregelten Tagesablauf mit festen Ritualen für alle Katzen und somit für einen strukturierten Tagesablauf.


Florina (12 Jahre), Valeriane (9 Jahre) und Ollily (13 Jahre)

Warum aber drei Gruppen?

Der Hauptaspekt liegt erst einmal in einer möglichst stressfreien Katzenhaltung. Deshalb sollte eine Katzengruppe nicht zu groß sein. Als optimale Größe spricht man im Allgemeinen von vier Katzen. Unsere Gruppe 2 wäre also demnach definitiv vorübergehend zu groß. Trotz allem ist auch hier bei uns eine fantastische Harmonie zu beobachten, was widerum auf eine optimale Sozialisation jedes einzelnen Tieres schließen lässt. Diese Gruppe ist über die Jahre zusammengewachsen, besteht hauptsächlich aus verwandten Tieren, also nachfolgenden Generationen und erfährt kaum Veränderungen. Ganz wesentlich zu diesem Zusammenhalt hat sicherlich auch der tolle Charakter unserer ersten Norwegischen Waldkatzen, nämlich Bajara v. Rombergsdeich, Fenris av Tromsoe und Ollily-Orvieta v. Wunderbaum  beigetragen, die allesamt sehr menschenbezogen, verschmust, überaus freundlich und tolerant anderen Zwei- und Vierbeinern gegenüber sind.
Sie werden sich vielleicht fragen warum auch die alten Katzendamen bei uns nicht kastriert sind. 
Jede Kastration würde die Rangfolge in der Katzengruppe durcheinander bringen und Unruhe heraufbeschwören. Der zweite Aspekt liegt in der Neigung zur Gewichtszunahme bei spätkastrierten Tieren. 

Was bedeutet aber Stress für die Katze?
Ist eine Katze im Dauerstress, wird zwangsläufig ihr Immunsystem heruntergefahren. Das bedeutet, sie wird automatisch anfälliger für Krankheiten. Durch den erhöhten Infektionsdruck sind diese widerum schwerer auszuheilen und die Gefahr der Erkrankung an FIP, FelV oder auch Pilz steigt.

  Je größer die Gruppe, desto eher kann es zu Konflikten zwischen den Katzen kommen. Verhaltenstörungen oder Unsauberkeit können die Folge sein.

Die Harmonie innerhalb der Gruppen spielt also eine entscheidende Rolle. Diese ist von einigen  Faktoren abhängig: von den Haltungsbedingungen, dem Platzangebot, dem Gesundheitszustand, der hormonellen Begebenheiten und auch von der Ernährung und den Möglichkeiten, die Tiere ihren Jagdtrieb ausleben zu lassen.

Jede Katzengruppe bei uns hat unterschiedliche Bedürfnisse. So bevorzugen unsere Oldies eher ihre Ruhe und halten nicht mehr so viel vom Trubel, den Jungtiere veranstalten. Sie benötigen dafür mehr Zuwendung. Gruppe 2 dagegen ist ziemlich lebhaft und verspielt. Obwohl hier zur Zeit acht Katzen zusammen leben, ist die Harmonie in dieser Gruppe einfach fantastisch. Jede Katze ist besorgt um die anderen und sollte nur einmal jemand aufheulen, sind sofort alle "Sanitäter" zur Stelle. Geschlafen wird möglichst nah aneinander gekuschelt in einem großen Hundekörbchen. Jeder hilft jedem bei der täglichen Fellpflege und hingehaltene Köpfchen werden hingebungsvoll geputzt. Die Geburt eines Wurfes und dessen Aufzucht ist ein absolutes Highlight unter Mithilfe sämtlicher Katzen, wobei die älteren Katzendamen  das gut eingespielte Geburtshelferteam bilden. Näheres darüber erfahren Sie in einem folgenden Bericht über unsere Katzenaufzucht.
Die dritte Gruppe, also die potenten Kater sind unter dem Aspekt der kontrollierten Familienplanung meistens von den Mädels getrennt, es sei denn, sie haben den Suprelorin-Chip bekommen. Dann dürfen sie auch mit Gruppe 2 zeitweise zusammen laufen. Hier spielt der Fortpflanzungstrieb also die entscheidende Rolle.

Kleinere Gruppen ermöglichen auch eine den Bedürfnissen angepasste Fütterung der einzelnen Tiere. So benötigen Jungtiere eine andere Futterzusammensetzung als die Oldies. Auch im Krankheitsfall kann man diätetisch besser auf die einzelnen  Katzen eingehen.

Da alle unsere Katzen sehr ausgeglichen, kerngesund und in keinster Weise unsauber oder verhaltensauffällig sind, kann bei unserer Aufteilung wohl nicht so viel verkehrt laufen.
 

Warum so viele Katzen?

Geplant war das nicht... Die Anzahl hat sich halt im Laufe der Jahre so ergeben und ist variabel.
Wieviele Katzen man hält, muss jeder für sich und vor allem im Sinne der Tiere entscheiden. Da sich bei uns weder die Liebe zu den Norwegischen Waldkatzen noch die familiäre oder finanzielle Situation in all den Jahren geändert hat, sehen wir uns in der glücklichen Lage, unseren Waldschraten ein glückliches Leben bis zum Lebensende bieten zu können. An dieser Stelle möchte ich mich auch bei unseren mittlerweile erwachsenen Kindern und unserem Catsitter ganz herzlich für die liebevolle Mithilfe bedanken.
Wie bereits auf unserer Homepage erwähnt, haben wir uns den Erhalt der uralten Foundationlinien auf die Fahnen geschrieben. Nachdem aber seit 1990 keine Novizen (Waldkatzen, die vorher frei in den schwedischen und norwegischen Wäldern gelebt haben)  mehr von der FIFe anerkannt werden, sind exakt diese Linien sehr selten geworden und werden in absehbarer Zeit aus den ersten 4 Generationen der Stammbäume verschwunden sein. Wir sind sehr glücklich, eben von diesen alten "Schätzen" noch einige potent in der Zucht zu haben. So haben drei unserer Pelzbären noch einen Novizen als Großvater (Felix, *1986 und Putte, *1976), die anderen immerhin noch welche als Urgroßeltern und  Ururgroßeltern (Pandora, * 1986,  Claire, Tussi, Pussi, Annie). Wieviel Aufwand es bedeutet, die entsprechenden Tiere zu finden, kann sich ein Laie kaum vorstellen. Sorgfältige Recherche der Stammbäume und Zuchten, weite Reisen ins Ausland, Kenntnis der Ein- und Ausfuhrbestimmungen und  optimale Urlaubsplanung sind nur einige zu berücksichtigende Faktoren. Aber jede Reise hatte zumindest bei uns auch etwas von einem kleinen Abenteuer, an das wir auch heute noch gerne zurückdenken:-) Natürlich haben wir einige Nachzuchten behalten, um eben diese Linien auch weiterhin fortführen zu können. Ansonsten wäre es der vorangegangenen Mühe wohl auch nicht wert gewesen.
Nach unseren Erfahrungen sind Waldkatzen aus diesen alten Linien noch sehr ursprünglich im Wesen, haben noch einen intakten Naturinstinkt, werden wesentlich seltenener rollig als die durchgezüchteten Tiere und sind äußerst robust und unverwüstlich. Sie entwickeln sich insgesamt langsamer.


Flatland´s Daniel (hier 13 Jahre alt), Sohn des Novizen Putte
Vater von unserer Minou

Vielleicht haben Sie aber auch bereits bemerkt, dass die Mehrzahl unserer Norwegischen Waldkatzen zwischen 12 und 16 Jahre alt ist. Für uns sind unsere Katzen in erster Linie Familienmitglieder, die mit dem Herzen ausgesucht wurden, und erst an zweiter Stelle Zuchttiere. Das bedeutet auch, dass unsere Katzen im Ruhestand bei uns bleiben und ihren festen Platz innerhalb der Familie haben. Jede unserer Katzen ist für uns etwas ganz Besonderes und so lange das Zusammenleben so super funktioniert sehen wir auch keinen Anlass, uns von einem der Pelzbären trennen zu müssen.
Die Harmonie ist uns wichtiger als jeder Schowerfolg oder mögliche Zuchteinsätze. Wer also ein durchgezüchtetes Waldkätzchen mit großer Erfolgsaussicht auf Shows sucht, wird bei uns eher nicht fündig. Hier findet man die urwüchsigen, robusten Waldschrate, die mehr einem Bauerntrampel als einer grazilen Schowmieze ähneln.

Zum guten Schluß

Der Mehrkatzenhaushalt ist letztendlich eine große Herausforderung für das zweibeinige Personal und erfordert viel Einfühlungsvermögen, Diplomatie, genügend Platz, ein gutes Mangement, Zeit und Geld. Dafür haben wir glückliche und gesunde Katzen mit hoher Lebenserwartung.

Zum Schluß möchte ich noch erwähnen, dass dieser Bericht ausschließlich auf unseren hauseigenen Erfahrungen beruht und von mir geschrieben wurde, bevor ich das Buch "Der Mehrkatzenhaushalt" von Sabine Schroll gelesen habe. Umso mehr habe ich mich gefreut, dass unsere Beobachtungen und unser Zuchtmanagement durch dieses Buch bestätigt werden.

Buchempfehlungen:
Der Mehrkatzenhaushalt - Sabine Schroll
Verhaltensmedizin bei der Katze - Sabine Schroll, Joel Dehasse
Die domestizierte Katze - D. C. Turner
Die Mensch-Katze-Beziehung - D.C. Turner
Turners Katzenbuch - D. C. Turner
Katzenseele - Paul Leyhausen
Katzen in die Seele schauen -Petra Twardokus
Coaching für Katzenhalter - Petra Twardokus
Katzen auf der Couch - John C. Wright
Die Katzenflüsterin - Vicky Halls
Catwatching - Desmond Morris
TTouch für Katzen - Linda Tellington-Jones
Katzenpsychologie - Pam Johnson